Behring Apotheke
"Aber bitte lassen Sie es nicht so aussehen, wie für alte Leute!"
Eckdaten
Behring Apotheke, Behringstraße 1, 41464 Neuss
Design Klaus Bürger
Umbau 2013
Gesamtfläche 240m²
Die Behring Apotheke in Neuss, geführt durch das Ehepaar König, beide bereits jenseits der 60, bekam durch die Aufgabe eines Ladenlokals direkt nebenan die Möglichkeit die eigenen Räume mittels Durchbruch zu erweitern. Neben der attraktiveren Ecklage mit direktem Kontakt zu den Kundenparkplätzen konnten durch die Verdoppelung des Raumangebotes auf knappe 240m² sämtliche Arbeitsabläufe entzerrt werden. Die bauliche Grundstruktur ergab, dass in jedem Ladenlokal eine Spindeltreppe in den Keller führte. Eine sehr kleine in der alten Apotheke und eine Große in der dazugewonnenen Ecklage. Die kleinere Treppe wurde verschlossen, da es für den Betrieb wichtiger war, einen schnellen Lagerzugang aus dem HV-Bereich zu haben. Somit wurde die runde Treppe mit der Sichtwahl umbaut und dahinter verborgen.
Neben den Durchbrüchen, die beide Ladenlokale im Erdgeschoss und im Keller miteinander verbinden sollten, wurden auch die Wände eines Büros im neuen Bauabschnitt beseitigt. Dies konnte allerdings nicht zu 100% erfolgen, da sich an einer Stelle, und zwar mitten im Raum, die Schächte für Kamin, Heizung und Abwasser befanden. Die Schwierigkeit bestand nun darin, die baulichen Einschränkungen durch Treppe und Schächte in der 38m² Offizin irgendwie zu umschiffen und zwar so, dass der nach hinten hin enger werdende Verkaufsraum für Kunden sowie den Rollstuhl des Apothekers kompromisslos nutzbar würde. Hieraus ergab sich die Grundstruktur des Handverkaufstisches, der im vorderen Bereich der Offizin dem ankommenden Kunden so viel Platz wie möglich lässt, sich dann in rollstuhlgerechtem Abstand um die runde Spindeltreppe schlängelt und dann, den Kaminschacht integrierend in einen Beratungsplatz am hinteren Ende der Offizin endet.
Die Sichtwahl bilden Glasböden, die mittels Drahtseilsystem vor einer gespannten Haut aus Messing-Metallgewebe schweben. Der metallene „Stoff“ bietet zum Einen den Vorteil, dass sich hiermit problemlos die Rundung der Treppenumbauung realisieren lies und zum Anderen durch seine transparente Leichtigkeit Durchblicke gewährt und den Raum nicht abschneidet. Kleine LED-Spots in der Decke bringen mit ihrem Streiflicht Reflexe auf die Oberfläche und betonen den metallisch warmen Charakter des Materials.
Als Kontrapunkt hierzu wurde der HV-Tisch in polygonale Segmente zerlegt und passend zu dem technischen Stealth-Design mit einer Oberfläche aus Aluminium versehen. Solche Formen ließen sich nur mittels 3D-CAD-Planung und computergesteuerten Fräsmaschinen herstellen. Der Tischler fertigte hierzu ein 1:1 Modell, mit dessen Hilfe die Position des zu fertigenden HV-Tisches millimetergenau erprobt wurde. Probefahrt des Apothekers inklusive. Vor dem Tisch faltet sich ein Band aus naturbelassenem Walzstahl, dessen bläuliche Verfärbungen von der Hitze seiner Herstellung zeugen. Durch geschickte Faltungen dieser Handtaschenablage definieren sich die Anlaufpunkte für den Kunden. Kleine Aussparungen im Flachstahl ergeben an jedem Kassenplatz einen Gehstockhalter. Unter der Haube aus technisch gefaltetem Aluminium bildet eine Platte aus rustikalem Eichenholz die Front des Verkaufstresens. Mittels CNC-Technik wurde hier eine Grafik eingefräst. In der Grafik »Emil von Behring«, geschaffen von dem Kölner Wortmaler und Arzt Dr. Sascha A. Lehmann (SAXA), kann man die Lebensgeschichte von Emil von Behring, dem Namensgeber der Apotheke, nachlesen. Eine LED-Kantenbeleuchtung betont das Relief der eingefrästen Struktur.
Der weiße Fußboden im Verkaufsbereich besteht aus einem fugenlos gegossenen Zementboden. Und verstärkt die solitäre Wirkung des beeindruckenden Handverkaufstisches.
Die Freiwahl in den Schaufenstern findet auf filigran gestalteten Rollwagen Platz. Auf der den Schaufenstern und den Kundenparkplätzen zugewandten Rückseite findet sich wieder die auf Mattglas aufgebrachte Grafik mit dem Konterfei des Nobelpreisträgers Behring. Durch das Spiel aus verdeckten, transluzenten und transparenten Flächen entsteht hier eine reizvolle Verbindung von Innen- in Außenraum: So kann der Kunde, vom Parkplatz kommend neben dem didaktischen Inhalt zum Namensgeber bereits einen Eindruck von dem gewinnen, was ihn im Inneren erwartet und Innen profitiert der Verkaufsraum vom Tageslicht und der optischen Erweiterung ins Freie.
Beratungsraum und Rezeptur bilden den Abschluss im hinteren Bereich der Offizin.
Ein spezieller Akustikputz an der Decke mindert den Raumschall zu den Stoßzeiten.
Ein Durchgang in der Sichtwahl führt an Schubsäulen zu beiden Seiten vorbei in den Arbeitsbereich. Um diesem Durchgang seine Tunnelwirkung zu nehmen, wurde hier eine Lichtdecke installiert, die für ein homogenes Tageslicht sorgt, in dem sich die Beschriftungen auf den Schubkastenfronten und Schachteln blendfrei lesen lassen.
Ab hier erstreckt sich ein Boden aus rustikalen Eichendielen, die in ihrer Oberflächenstruktur noch die Wellenschläge des Dickenhobels aufweisen und somit durch ihr betont „nachlässiges“ Oberflächenfinish würdevoll verschleißen und verkratzen können. Ein Parkettboden, auf dem ohne Reue Transportkisten und Bürostühle hin- und hergeschoben werden können. Der Rest der Einrichtung wurde hier im Gegensatz zu dem ruppigen Erscheinungsbild des Fußbodens in cleanem Weiß gehalten, dass die Raumhelligkeit steigert.